Universitätsmedizin Rostock:
„Wir haben nicht nur einen Springerpool aufgebaut, sondern eine systemische Flexibilisierung durchgeführt.“

„Es war das wichtigste Rad, an dem wir gedreht haben, um den Teufelskreis aus Personalmangel, Bettenschließungen und  Erlöseinbußen zu durchbrechen.“

März 2021

Die Universitätsmedizin Rostock (UMR) rutschte 2019 nach vielen positiven Jahren zum ersten Mal ins Minus. Ein umfassendes Sanierungskonzept soll bis 2025 wieder ins Plus führen. So ist der Sanierungserfolg unter anderem auch davon abhängig, dass die Bettenverfügbarkeit nicht durch mangelndes Pflegepersonal eingeschränkt wird.

„Wie erreichen wir eine hohe Akzeptanz aller Beteiligten bei dem Vorhaben der Erhöhung unserer Bettenverfügbarkeit bei zeitgleicher Sanierung?“ war die größte Frage für die Pflege für Annett Laban, Pflegevorstand der UMR. „Aber sanieren heißt ja nicht nur einsparen, sondern auch zukünftige Erlöse sichern.“
Den scheinbaren Widerspruch ist Laban offensiv angegangen: „Im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen wurde eine Reihe von Projekten eingeleitet, und eins davon war die systemische Flexibilisierung unserer Personalplanung.
Wir hatten zwar schon einen Springerpool, haben uns aber trotzdem für die umfassende Umsetzung des Frei-ist-Frei-Konzeptes entschieden. Das Konzept ‚Frei ist Frei‘ zur systemischen Flexibilisierung wurde von der Unternehmensberatung Noteboom & Van der Meulen entwickelt.“

 

 

Der Hauptunterschied zum „klassischen” Springerpool ist dieser systemische Ansatz. Der gesamte Aufbau, d.h. die Zusammensetzung und die Größe des Pools ist darauf ausgerichtet, nicht punktuell, sondern alle Ausfälle kompensieren zu können. Dabei wird auch nach kurz- und langfristigen Ausfällen differenziert. Letztendlich wird der Pool genau auf die Bedarfe der Organisation zugeschnitten. Grundlage ist eine detaillierte Kapazitätsanalyse, die vom Beraterteam durchgeführt wird.
„Das ist systemische Flexibilität. Es war das wichtigste Rad, an dem wir gedreht haben, um den Teufelskreis aus Personalmangel, Bettenschließungen und Erlöseinbußen zu durchbrechen. Wir müssen aktuell kaum Betten aufgrund von pflegerischen Engpässen mehr schließen“, so Laban.

Vertrauen in ‚Neu und Anders‘

Gerne erklärt Annett Laban, warum sie sich gerade für ein Konzept eines niederländisch-deutschen Beratungsteams entschieden hat. Viele Kliniken in Deutschland haben einen Springerpool mit einigen VK, der zwar punktuell, aber lange nicht alle Ausfälle kompensieren kann. Das Konzept Frei-ist-Frei basiert auf einer Flexibilisierungsquote von 10-15%, was dem gesamten Ausfall in einem Krankenhaus entspricht. Nur so kann ein Pool das Gesamtaufkommen an Ausfällen kompensieren und Dienstplanstabilität für die Stammmitarbeiter gewährleisten.

„Eine systemische Flexibilisierung erfordert viele Anpassungen und Investitionen - in Bezug auf Prozesse, Menschen und Zeit. Aber das hat genau den Unterschied ausgemacht“, argumentiert Laban. „Ich habe eigentlich direkt an den Ansatz geglaubt, gerade weil er das Ganze betrachtet, die ganze Pflegeorganisation erfasst.“

Eine solide Lösung

Woher kam Ihr Vertrauen? „Ich denke, man soll immer offen für Neues sein. Eine Organisation sollte nicht an Althergebrachtem festhalten. Natürlich habe ich mich vorher gut informiert. Auf der Suche nach einer soliden Lösung bin ich immer wieder auf das Konzept Frei-ist-Frei gestoßen. Unter anderem berichteten die Kollegen aus Krankenhäusern in Oldenburg und Neuss von positiven Ergebnissen und Erfahrungen mit dem Beraterteam. Auch in der Fachliteratur wurde über das Konzept geschrieben. Der Kontakt wurde schnell hergestellt und mein Vertrauen nach den ersten Gesprächen weiter bestärkt.“
Rückblickend betont Annett Laban, dass sie die Zusammenarbeit mit dem Beraterteam genossen hat. „Es war spannend, mit einem externen Team aus einem anderen Land zu arbeiten, anstatt immer im eigenen Saft zu schmoren.“

Neue Mitarbeiter gewinnen

Man kennt Rostock als attraktiven Urlaubsort, aber die Stadt ist keine ‚Metropole’ mit einem unendlich großen und breitgefächerten Arbeitsmarkt. Darüber hinaus hat die Region Mecklenburg-Vorpommern mit einem demografischen Schrumpfen zu kämpfen. Viele junge Leute ziehen weg, das Altern der Bevölkerung geht schneller voran, als in der gesamten Bundesrepublik.

 

 

Annett Laban über diese Herausforderung: „Als ersten Projektschritt haben wir ein attraktives und zielgruppenorientiertes Angebot für neue Flex-Mitarbeiter entwickelt. Dieses Angebot - Arbeiten wann du willst - haben wir in Rostock und Umkreis mittels einer Arbeitsmarktkampagne sowohl online als auch offline intensiv beworben. In und um Rostock konnte keine Pflegekraft unser neues UniFlexTeam übersehen. Damit ist es uns gelungen, bisher unerschlossene Potentiale im Arbeitsmarkt zu erreichen. In sechs Monaten konnten wir bereits 60 der insgesamt angezielten 145 neuen VK einstellen!“

Ein wichtiger Aspekt dieses Erfolges ist, dass sichergestellt wurde, dass man das Versprechen an den Markt auch wirklich einhalten kann. „Indem wir die Prozesse entsprechend eingerichtet und die Leitungen und die Teams vorbereit haben, und vor allem auch durch die Erweiterung und die weitere Professionalisierung unseres Flexbüros.“

Ein neues Flexbüro-Team ermöglicht neue Wege

Die UMR hatte bereits einige Jahre einen Flexpool mit 15 Mitarbeitern. Diese wurden von einer Poolleitung verplant und betreut. „Dieser eher kleine Flexpool war weit davon entfernt, die Anforderungen aller Abteilungen zu erfüllen”, erklärt Annett Laban. „Wenn der Pool wächst, soll das Poolmanagement, das Flexbüro, mitwachsen. Denn es entstehen neue Rollen und Zuständigkeiten.“

So hat unsere Poolleitung zusammen mit dem Berater Loran Noteboom eine qualifizierte Disponentin und Recruiterin gefunden und eingestellt. Die Disponentin plant die Flex-Mitarbeiter und behält kontinuierlich den genauen Bedarf der Stationen im Blick, so dass die Recruiterin für die optimale Besetzung des Pools sorgen kann. Die neue Recruiterin ist die wesentlichste Änderung, die ganz neue Perspektiven öffnet. „Sie kommt nicht aus der Pflege, sondern aus der freien Wirtschaft. Ihre branchenfremde Sicht hilft uns, uns von festgefahrenen Einsichten, von etablierten Strukturen und Prozessen zu lösen. Ich finde das wichtig, um wirklich neue, innovative Wege gehen zu können.“

Einarbeitung der Flexer: die richtige Balance finden

Peter van der Meulen vom Beraterteam “Frei-ist-Frei”: „Eine Herausforderung war, ein geeignetes Einarbeitungskonzept zu entwickeln. Die UMR hat über 50 Stationen, die sehr breit gefächert sind. Auf der einen Seite sollen die Flexpoolmitarbeiter möglichst schnell breit eingesetzt werden können und Entlastung bringen. Auf der anderen Seite muss die Einarbeitung qualifiziert erfolgen.“

Annett Laban sieht noch Optimierungspotentiale: „Es ist eine Suche nach der richtigen Balance zwischen schnell und gründlich einarbeiten, damit die richtige Einsatzqualität gewährleistet werden kann. Unser ‚Welpenschutz-Ansatz‘ stellt schon mal sicher, dass die Flex-Mitarbeiter sich zunächst auf ihre Einarbeitung konzentrieren können, ohne sofort Lücken auf verschiedensten Stationen füllen zu müssen. Jedoch möchten wir unser Einarbeitungsprogramm weiter differenzieren, oder vielleicht die Einsatzbreite einzelner Flexpoolmitarbeiter einschränken – je nach „beruflicher Sozialisierung” des Flexpoolmitarbeiters.“

Systemische Flexibilisierung: ein permanenter Prozess

Annett Laban ist entschlossen, wenn es um die Einbeziehung aller Pflege-Mitarbeiter und -Leitungen auf dem Weg zu den neuen Arbeits- und Planungsprozessen geht. „Nicht nur am Anfang, sondern auch danach, ständig und permanent. Wir sind einen neuen Weg gegangen und werden erfahrungsgemäß auf Anfängerprobleme stoßen. Daher ist es wichtig, die ganze Organisation von Anfang an in die Zielsetzung und die Projektumsetzung mit einzubeziehen.“

„Je besser jeder das Ziel kennt und versteht, desto besser können wir die Probleme gemeinsam lösen und durchstarten mit dem, was gut funktioniert. Das ist uns gelungen.
Es ist lustig, dass neu eingestellte Ärzte das UniFlexTeam und ihren täglichen Beitrag zum Pflegeprozess bereits als selbstverständlich betrachten. Das zeigt, dass sich das Konzept gut etabliert hat.“

Neue Perspektive, auch in der Zukunft

Annett Laban ist überzeugt, dass sie auf dem richtigen Weg ist. „Unklar ist, inwieweit die Coronalage den Zustrom neuer Bewerber beeinflusst. Auf jeden Fall hat die Pandemie gezeigt, dass ein Job im Krankenhaus ein gesellschaftlich anerkannter und krisenbeständiger Arbeitsplatz ist und die Wertschätzung des Pflegeberufs gestärkt hat.  Sichere Jobs, Wertschätzung und dazu noch mitarbeiterorientierte Arbeitsbedingungen können wir im UniFlexTeam anbieten. Deshalb bleiben wir auf der Spur und blicken mit Zuversicht in die Zukunft.“


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